30. November 2017: Eine Versicherungsmaklerin wird auf Schadensersatz verklagt, weil ihre Kundin eine Invaliditätsprüfung verpasst hatte und somit die Versicherungssumme nicht erhielt. Der Grund: Die Angeklagte habe sie nicht ausreichend unterstützt und aufgeklärt. Das Gericht wies die Klage in zwei Instanzen ab. Als die Klage beim Bundesgerichtshof landete, entschied dieser gegen die Vorinstanzen. Wie kam es dazu?
Der Hintergrund
Die Klägerin, selbst gelernte Versicherungskauffrau, schloss 2010 eine Unfallversicherung ab. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihren Ehemann. Dieser erlitt 2012 einen schweren Verkehrsunfall. Das meldete das Paar der Versicherung. Die Invalidität des Ehemanns musste mittels eines ärztlichen Nachweises bewiesen werden. Daher schickte die Versicherung der späteren Klägerin im Juni 2012 einen Brief, der ihr für diesen Nachweis eine Frist von 18 Monaten setzte.
Kein Beweis, kein Geld
Am 21. November 2014 lehnte die Versicherung den Antrag auf eine Invaliditätsleistung ab. Die Klägerin hatte den Nachweis nicht innerhalb der Frist erbracht. Daraufhin wandte sie sich an einen Anwalt. Der Grund: Ihrer Meinung nach hätte ihre Versicherungsvermittlerin sie an die ablaufende Frist erinnern müssen. Das Gericht rollte den Fall neu auf, nachdem bereits 2016 – nach der ersten Klage – eine Entscheidung gefallen war. In zwei Vorinstanzen hatte die Klägerin keinen Erfolg gehabt. Beim Bundesgerichtshof aber wurden die vorigen Entscheidungen zurückgenommen, nachdem die Klägerin Revision eingelegt hatte.
„Der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers umfasst grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens.“ – Bundesgerichtshof im Urteilsspruch I ZR 143/16
Wir müssen tiefer graben
Ein entscheidender Faktor war die rechtliche Grundlage, auf der das Urteil beruhte. Die Vorinstanzen hatten sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz gerichtet. Das war beim BGH-Urteil nun allerdings anders: Für das neue Urteil zog der Bundesgerichtshof das Bürgerliche Gesetzbuch heran. Außerdem hatte die beklagte Versicherungsvermittlerin sich vertraglich dazu verpflichtet, die Klägerin in allen Fragen bezüglich der Schadensabwicklung zu unterstützen. Das sei nicht geschehen. Der Brief, den die Versicherung geschickt hatte, war in diesem Falle unerheblich. Ebenso der Umstand, dass die Klägerin selbst Kenntnisse über die Versicherungsbranche besitzt. Wichtig war für das BGH-Urteil nur, dass die Beklagte ihrer Pflicht der Hilfestellung nicht ausreichend nachgekommen war. Eine Verletzung der Maklerpflichten lag vor.
„Bei einem Versicherungsmaklervertrag kann der zu beratenden Person, auch wenn sie über einschlägige Kenntnisse verfügt, regelmäßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, sie hätte das, worüber sie der Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen ohne fremde Hilfe selbst erkennen können.“ – Bundesgerichtshof im Urteilsspruch I ZR 143/16
Maklerpflichten wiegen schwer
In Verbindung mit weiteren Urteilen kommt der BGH zu dem Schluss, dass die Hilfestellung bei der Regulierung eines Schadens zu den grundsätzlichen Aufgaben des Versicherungsmaklers gehört. Das bedeutet für den Makler vor allem eines: Es ist wichtig, den Kunden im Schadenfall zu begleiten und dabei eine aktive Rolle einzunehmen. Die Maklerpflichten gegenüber dem Kunden sind umfassend, auch wenn der Kunde über Branchenkenntnis verfügt. Daher ist es ratsam, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig auf entscheidende Schritte und Pflichten des Kunden hinzuweisen. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes befindet sich der Fall nun wieder in der Verantwortung des Berufungsgerichts. Ein Urteil steht noch aus.
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